Wie das Landgericht Köln mit Pressemitteilung vom heutigen Tage berichtet hat, gibt es nun erste Entscheidungen über Beschwerden in Sachen „Streaming Abmahnung“. Das Landgericht hat in vier Beschlüssen Beschwerden von Anschlussinhabern stattgegeben, die von der „The Archive AG“ wegen Ansehens eines Streaming-Videos auf der Plattform redtube.com abgemahnt worden waren. Das Landgericht hat insoweit eingeräumt, dass dem Antrag der „The Archive AG“ auf Herausgabe der bestimmten IP-Adressen zuzuordnenden Namen und Anschriften von Kunden der Deutschen Telekom nicht hätte entsprochen werden dürfen. Einer der Beschlüsse (Aktenzeichen 209 O 188/13) kann in anonymisierter Form hier abgerufen werden.
Die Kammer des Landgerichts hat die Abweichung von ihrer ursprünglichen Entscheidung damit begründet, dass im Antrag der „The Archive AG“ (Antragstellerin) von Downloads die Rede war, während es sich tatsächlich – wie sich später herausstellte – um den Abruf von Videos auf einer Streaming Plattform handelte.
LG Köln: Streaming stellt keine nur dem Urheber erlaubte Vervielfältigung (§ 16 UrhG) dar.
Auch das LG Köln ist demnach der Auffassung, dass ein bloßes Streaming einer Video-Datei bzw. deren Ansehen mittels eines Streams im Gegensatz zum Download nach Auffassung der Kammer grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstoß im Sinne des Urheberrechts darstellt.
LG Köln: Sachvortrag wurde missverstanden
Den Sachvortrag des Antragstellers will die jetzt zurückweisende Kammer ursprünglich in der Weise verstanden haben, dass ein Download in Form der dauerhaften Speicherung und damit ein Verstoß gegen das allein dem Inhaber des Urheberrechts zustehende Vervielfältigungsrecht gemäß § 16 UrhG vorgelegen habe und durch die Software erfasst worden ist.
Ob dieser Vortrag der Kammer sehr glaubhaft ist, sei einmal dahingestellt. Immerhin gibt es jetzt eine halbwegs belastbare gerichtliche Entscheidung und – viel wichtiger – beim LG Köln dürfte jetzt eine gewisse Awareness eingetreten sein, Anträge nach § 101 UrhG zukünftig sorgfältiger zu prüfen.
Die ganze Aufregung über diesen aktuellen Fall von massenhaften Abmahnungen zeigt jedenfalls, dass die Debatte über den Datenschutz von IP-Adressen nicht beendet ist. Während die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz überwiegend davon ausgehen, dass IP-Adressen als personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG anzusehen sind, wird dies von Teilen der Wirtschaft bzw. Anwaltschaft mit verschiedenen Argumenten abgelehnt. Der aktuelle Fall zeigt jedenfalls, dass der Richtervorbehalt nur ein Feigenblatt ist, wenn es darum geht, die personenbezogenen Daten der Anschlussinhaber/IP-Adressennutzer zu schützen.
Diskussion über Datenschutz von IP-Adressen neu belebt
Die aktuellen Vorkommnisse müssen daher als Warnung vor unsicheren Webangeboten verstanden werden. Wer sich im Netz bewegt ist weder anonym noch bietet die IP-Adresse – die praktisch eine Art Hausnummer im Netz ist – einen zuverlässigen Schutz vor Aufdeckung. Über Weiterleitungstechniken kann jeder trotz Vorsicht in die Fänge von Betrügern gelangen. Wer sich vor derartigen Angriffen auf seine Privatsphäre schützen will, kann zwar private Anonymisierungsdienste wie Tor oder AN.ON bzw. JonDonym nutzen, diese scheitern in der Praxis aber daran, dass sie zu kompliziert sind oder die Surfgeschwindigkeit verlangsamen. Richtig ist auf jeden fall, dass die Privat-Einstellung im eigenen Browser nicht gegen das Ausspähen von außen helfen, sondern nur das Protokollieren des Surfverhaltens auf dem eigenen Rechner verhindern.
Streaming Abmahnungen von The Archive AG auf keinen Fall bezahlen und keine Unterlassungserklärung abgeben
Wer eine Abmahnung wg. Streamings erhält oder erhalten hat, sollte im Zweifel weder eine Unterlassungserklärung abgeben noch eine Zahlung tätigen. Ob sich eine anwaltliche Beratung rentiert ist eine Einzelfallfrage. Bei den bisher bekannt gewordenen niedrigen Streitwerten, kann sich eine Strategie der Nichtbeachtung der Abmahnung ausnahmsweise mal lohnen. Wer bereits an The Archive AG gezahlt hat, kann zwar versuchen das Geld einzuklagen, da jedoch die Gesellschaft im Ausland befindlich ist, besteht die Gefahr hier weitere wirtschaftliche Verluste zu riskieren, selbst wenn ein Erstattungsanspruch besteht. Ob das oben zitierte Beschwerdeverfahren jeweils sinnvoll sein kann, kann nur jeweils im Einzelfall betrachtet, entschieden werden. Eine anwaltliche Beratung lohnt sich spätestens, wenn ein Anschlussinhaber zahlreiche Abmahnungen wg. Streamings erhalten hat.
Ob Streaming über Formate wie kino.to und co zulässig sind, weiterhin unklar
Beim Streaming von Portalen, bei denen der Nutzer davon ausgehen muss, dass die Inhalte dort nicht rechtmäßigerweise bereit gestellt werden, könnten Gerichte zu einer anderen Auffassung gelangen. Allerdings kann auch in derartigen Fällen eine Privatkopie in Betracht kommen, sodass auch hier nicht vorschnell gehandelt werden sollte.